Jeder von Euch kennt diese Situationen: Aus der Nase schnaubende Menschen in der Warteschlange im Supermarkt, die glauben, die 17-jährige Kassiererin würde schneller arbeiten, wenn sie nur möglichst laut Stöhnen. Fahrer, die einem auf der Autobahn so dicht auffahren, dass man im Rückspiegel schon ihre Nasenhaare zählen kann oder die Experten, die auf der Rolltreppe überholen, um im Endeffekt nicht einmal vier Sekunden Zeit zu gewinnen.
Das sind nur einige von vielen Beispielen dafür, was für eine Schnelllebigkeit die Menschen umtreibt. Jeder ist so überdimensioniert wichtig und hat es so eilig, seine völlig belanglosen Aufgaben zu erledigen. Als würde die Welt untergehen, wenn man eine zweite Ampelphase an der Kreuzung warten muss. Ich nehme mich da selbst nicht raus. Auch ich finde mich manchmal nach einem völlig unnötigen Überholmanöver 100 Meter weiter an der nächsten roten Ampel wieder. Aber warum habe ich es so eilig? Es ist selten wirklich so, dass es einen festen Termin oder eine wichtige Aufgabe gibt, die mir diesen inneren Stress verleiht. Der Stress ist schon vorher da. Er wartet nur darauf, dass er sein hässliches Gesicht zeigen darf. Dass die Frau vor dem Kühlregal den Weg zum Frischkäse blockiert oder dass der Rentner in der A-Klasse vor mir 44 km/h fährt. Der Stress wartet darauf, dass er diese innere Anspannung auslösen darf. Diese Anspannung, die mich zu einem unangenehmen Zeitgenossen macht. Genervt, unzufrieden, unerträglich.
Niemand hat die Zeit, sich Zeit zu lassen.
Wieso nehme ich mir nicht die nötige Ruhe, um das Alltägliche zu genießen? Den Apfel an der Obsttheke mit Bedacht auszuwählen und vor dem Smalltalk der älteren Dame einmal nicht mit aller Kraft zu flüchten. Alles rast so schnell an mir vorbei, dass ich gar nicht dazu in der Lage bin, die Details meines eigenen Lebens wahrzunehmen. Dass ich immer nur das Ziel vor Augen habe, verwehrt mir, den Weg dorthin zu sehen.
Es fühlt sich so an, als würden die Jahre nur so dahinfliegen, aber das ist keine Einbildung. Das ist eine Tatsache, die ich selbst zu verantworten habe. Mein hektischer Tunnelblick erlaubt mir eben nur eine begrenzte Sicht. Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem ich mich frage, was ich aus meinen Leben gemacht habe. Ob ich genug erlebt habe, ob ich es zu schätzen gewusst habe. Wenn es soweit ist, werde hoffentlich nicht feststellen, dass ich diese Fragen nicht beantworten kann. Dass ich es nicht weiß, weil ich mir nicht die Zeit genommen habe, um mein eigenes Leben zu genießen.